Elektronischer Zähler und Kurzzeitmesser von Phywe

 

 

Das erste mal habe ich ein solches Gerät im Physikunterricht gesehen. Dort wurde es in einem Versuch als Stoppuhr benutzt. Nicht nur die Tatsache, das es sich um ein Röhrengerät handelt, hatte mich fasziniert, sondern auch noch die Röhren, die verwendet wurden.
Was ich erst für eine besondere Anzeigeröhre hielt, war die Zählröhre E1T, die ich vorher nur aus einer oberflächlichen Kurzdarstellung eines Datenbuches kannte. Durch das Gitter der Geräterückwand waren die Zählstufen mit den Zählröhren deutlich zu erkennen. Die erste Frage war, wie es denn möglich sei, mit einer Doppeltriode pro Dekade, welche sich hinter jeder Zählröhre befand, zu zählen? Pro Dekade braucht man doch eigentlich vier bistabile Multivibratoren. Mal abgesehen von der Anzeige der Binärzahl als Dezimalzahl, was noch zusätzlichen Schaltungsaufwand bedeuten würde.
Die lapidare Antwort des Physiklehrers auf meine Fragen: "Man sieht ja, dass es auch so geht", stellte mich natürlich nicht zufrieden. Ich erinnerte mich wieder an die Darstellung der "Dekadischen Zählröhre" aus dem Datenbuch, die nur als (für mich damals verwirrendes) Schaltbild dargestellt war. Nun wusste ich, wie eine E1T aussieht, mehr aber auch nicht.

Erst nach dem Studium habe ich mal eine E1T bei einem Röhrenversand bestellt. Die Funktionsweise blieb aber ein Mysterium, da von außen wenig vom Inneren der Röhre zu erkennen ist. Oben behindert der Getterspiegel die Sicht und die Seiten sind von der aufgeklebten Zahlenmaske verdeckt. Nur die lange, rechteckig geformte Kathode ist von der hinteren Seite zu sehen.
Auf der Suche nach alten Fachbüchern in der Bibliothek der Fachhochschule gab es mal eine Prinzipdarstellung des inneren Aufbaus und eine kurze Funktionsbeschreibung. Eine vollständige Beschreibung der E1T habe ich auf der Seite des Strahlenmessplatzes von Telefunken hinterlegt.
Es hieß, der Elektronenstrahl fällt durch eine Maske auf die Leuchtschicht und springt bei jedem Zählimpuls, an den Ablenkelektroden, von einem Schlitz zum nächsten usw. Wie aber der Elektronenstrahl auf einer Position gehalten wird, war immer noch unklar. Eine Schaltung der E1T, um eine Zählstufe mal nachzubauen oder eine ausführliche Funktionsbeschreibung, war nicht zu finden.
Erst mit meinem ersten Kontakt mit dem Internet bekam ich das Datenblatt von Philips in die Hände, welches auf einigen Internetseiten hinterlegt ist. Dort ist eine vollständige Schaltung einer Zähldekade mit der E1T und der Doppeltriode E 90 CC, mit allen Werten der Bauelemente, angegeben. Eine ausführliche Darstellung der Funktionsweise gibt es in einigen Fachbüchern von Heinz Richter und im großen Röhren Handbuch von Ludwig Ratheiser. Das Rätsel war dann entgültig gelöst.

Nun besitze ich auch zwei Geräte mit Zählröhren E1T von denen der Kurzzeitmesser eines ist. Ein Jugendtraum hat sich also nach Jahren noch erfüllt.

Das Gerät hat drei elektronische Zähldekaden und ein sechsstelliges mechanisches Zählwerk, welches nach je 1000 Impulsen einmal hochzählt. Mit der Rücksetztaste des Zählwerks lassen sich auch die Zählröhren zurücksetzen. Mit einem Schalter kann man von Impulszählung auf Zeitmessung umschalten. Eine Torschaltung, welche durch verschiedene Sensoren ausgelöst werden kann (Schalter, Fotodiode, Mikrofon), startet und stoppt den Zähler. Im Zählbetrieb kann man die Frequenz einer Wechsespannung messen, wenn man die Torschaltung über eine Zeibasis für eine definierte Zeit, z.B. eine Sekunde lang öffnet. Dazu gab es ein zweites Gerät von Phywe, welches eine Zeitbasis, einen Impulsverstärker und eine Hochspannungsquelle, zum Betreiben eines Geiger Müller Zählrohrs enthält. Man konnte damit zusätzlich zur Frequenzmessung noch radioaktive Strahlung messen.
Steht der Schalter auf Zeitmessung, wird eine Frequenz von 10 kHz an den Eingang der Zählstufen gelegt, wenn die Torschaltung geöffnet ist. Die 10 kHz werden von einem Schwingquarz erzeugt, der in einem Röhrenkolben eingebaut ist. Es lassen sich Zeiten bis auf 1/10000 Sekunde genau messen. Das mechanische Zählwerk zählt 1/10 Sekunden. Die Impulse die das Zählwerk ansteuern, sind an einer Buchse herausgeführt.
Schließt man z.B. eine Fotodiode an die Torsteuerung an, kann man die Dauer des Blitzes eines Blitzgerätes messen.

Als ich den Zähler bekam, hatte dieser einen kleinen Defekt. Nach einigen Minuten Betriebszeit ließen sich die Zählröhren nicht mehr eindeutig auf Null zurücksetzen. Nur wenn man den Rücksetztaster kurz betätigte, funktionierte es manchmal. Außerdem springt die mittlere Zählröhre von der 6 direkt auf die 8, was man im Zählbetrieb sehen kann. Bei der Zeitmessung läuft der Zähler deshalb zu schnell. Dieser Fehler liegt vermutlich direkt an der Röhre. Nach einigen Minuten Betriebszeit zählt die Röhre wieder richtig. Dieser Fehler ist also nicht so beeinträchtigend, wie die Fehlfunktion der Rücksetztaste.
Zuerst vermutete ich einen defekten Kondensator in der Rücksetzschaltung, durch den der Rücksetzimpuls nicht mehr groß genug war, um die Zählröhren zu sperren. Nachdem ich einen Schaltplan organisiert hatte, konnte ich auf die Suche nach dem Fehler gehen. Die Zählröhren werden bei diesem Zähler durch einen negativen Impuls auf die ersten Gitter der Zählröhren zurückgesetzt. Ein Kondensator ist negativ aufgeladen und wird über den Rücksetztaster an die ersten Gitter der Zählröhren gelegt. An diesen liegt im Betrieb etwa 12,6 Volt an. Betätigte man den Rücksetztaster, konnte man eine wesentlich höhere Spannung von ca. 20 Volt an dem Punkt messen. Dieser Anschluß ist aber nur durch einen 470 kOhm Widerstand mit der Spannungsquelle verbunden, wenn der Rücksetztaster betätigt und der Rücksetzkondensator entladen ist. Die Spannung musste also aus den Zähleinheiten direkt kommen.
Der Quarzoszillator und die drei Zähldekaden sind modular aufgebaut. Man kann also jede Zähleinheit aus einer Fassung herausziehen. Auf einer Zähleinheit ist eine E1T mit der dazugerhörigen Doppeltriode E 90 CC untergebracht. Die passiven Bauelemente sind auf der Unterseite angebracht.
Nach einigen Messungen stellte sich also heraus, dass in jeder Zähleinheit der Kondensator, welcher den Rücksetzimpuls der E 90 CC nach dem zehnten Impuls auf das Gitter der E1T überträgt, defekt war. Zum Glück gab es diese Kondensatoren noch zu kaufen. Diese müssen bis 1000 Volt Gleichspannungsfest sein und eine Genauigkeit von 10% haben, damit die Zählstufe richtig arbeitet. Bei den anderen Kondensatoren und Widerständen der Zähleinheiten gibt es noch höhere Forderungen an deren Genauigkeit. Unter den Bildern des Gerätes ist auch eine Zähleinheit vor und nach der Reparatur zu sehen. Nach dem Austausch der Kondensatoren funktionierte das Zurücksetzen der Zählröhren wieder einwandfrei. Die Zählstufen zählen auch richtig (Außer die Mittlere in den ersten Minuten nach dem Einschalten).

 

Den Schaltplan des Kurzzeitmessers kann man durch Anklicken vergrößern

 

 

Die Zähleinheiten und der Zeitmarkengeber sind Baugruppen die von Valvo produziert wurden. Dabei wurden die Bauelemente nach den Vorgaben des Datenblattes der E1T dimensioniert. Deshalb sind die Werte der Bauelemente für diese nicht angegeben.
Die Torschaltung besteht aus einer E 91 H. Wenn das erste Steuergitter der Röhre gegenüber der Kathode eine negative Vorspannung erhält, ist die Röhre gesperrt, das Tor ist zu. Liegt die Spannung über dem Kathodenpotential, können positive Impulse am zweiten Steuergitter einen Stromfluß zwischen Anode und Kathode auslösen. Das Tor ist also geöffnet. Die negativen Impulse an der Anode gelangen auf eine Doppeltriode E 90 CC. Diese bildet einen monostabilen Multivibrator, der die Steuerimpulse für die erste Zähldekade erzeugt.
Das erste Steuergitter der E 91 H kann über Auswahlschalter direkt mit den Steuereingängen der Torschaltung, oder mit dem Ausgang eines bistabilen Multivibrators verbunden werden. Dieser wird von einer weiteren E 90 CC gebildet. Die Eingänge des bistabilen Multivibrators werden von zwei ECC 83 angesteuert. Diese bilden noch mal zwei monostabile Multivibratoren, welche über Auswahlschalter mit den Steuereingängen der Torschaltung verbunden werden können. Durch diese Schaltung kann das Tor über einen Steuereingang geöffnet und über den Anderen geschlossen werden. Je nach Art des verwendeten Sensors wird, über die Auswahlschalter, eine bestimmte Spannungen an die Steuereingänge gelegt, welche zum Betreiben des Sensors benötigt wird. Zusätzlich wird der Eingangswiderstand der beiden monostabilen Multivibratoren ausgewählt. Über zwei Taster kann man die Torschaltung auch manuell betätigen.
Die Schaltung der letzten Zählstufe ist von Phywe etwas verändert worden, um das mechanische Zählwerk zu steuern. Es werden positive Impulse erzeugt, die ein Thyratron (PL 21) steuern. Ein Thyratron, oder auch Stromtor genannt, ist eine Gasentladungsröhre mit geheizter Kathode. Über ein Steuergitter läßt sich die Spannung einstellen, die notwendig ist um die Gasentladung zwischen Anode und Kathode zu zünden. Wenn das Thyratron einen positiven Impuls am Steuergitter erhält, welches auf negativem Potential liegt, zündet es und es fließt ein kräftiger Strom durch den Elektromagneten des Zählwerks. Über einen Kondensator wird der Impuls des Zählwerks an einer Buchse herausgeführt.

 

Hier noch einige Videos

 

Zählbetrieb mit verschiedenen Frequenzen

 

Zählbetrieb mit manueller Betätigung über einen Schalter und Nahaufnahme einer E1T

 

Zeitmessung und Nahaufnahme des mechanischen Zählwerks

 

Weitere Bilder vom inneren Aufbau des Gerätes, kann man hier sehen.